Was sie mit diesem Film eigentlich wollte, die Antwort bleibt die Regisseurin schuldig.

„Barbie“ von Greta Gerwig

von Renate Wagner

Barbie
USA 2023

Drehbuch und Regie: Greta Gerwig
Mit: Margot Robbie, Ryan Gosling, Will Ferrell u.a.
 
Barbie war immer die schönste aller Puppen. Eine gertenschlanke, junge, süße, weißhäutige Blondine mit wimpernbekrönten Augen, der man alles anziehen konnte, jeden Beruf und jedes Abendkleid, und die immer perfekt war. Ein unerreichbares Ideal für kleine Mädchen, denen versprochen wurde, wenn man wie Barbie war, würde man geliebt und erfolgreich und bewundert und bekäme seinen Ken – wenn auch das blonde männliche Pendant eher blaß ausgefallen ist.
In diesem Sinn hatte Barbie schon die Nase bezüglich der Frauenrechte vorne, sie war die Königin des Weiblichen, ließ die Männer hinter sich zurück, reduziert zu schmachtenden Bewunderern ihrer Vollkommenheit.
So hatte Ruth Handler, die mit ihrem Gatten den Spielzeugkonzern Mattel gegründet hatte, Barbie in den Fünfziger Jahren entworfen und in allen denkbaren Variationen zu einem breiten Franchise weiter entwickelt. Aber es war das blonde Original, das Kult wurde, auch in Büchern und Computerspielen, oft schon in Trickfilmen.
 
Nähert man sich „Barbie“ heute, so kann dies, so viel war klar, nur ironisch-kritisch geschehen. Greta Gerwig hat es versucht, und wenn Hollywood die nächsten „Himbeeren“ verteilt, müssen sie und ihr Partner Noah Baumbach ganz an der Spitze für das schlechteste Drehbuch stehen. Denn sie wollten einfach alles, absolut alles, in diesen Film hineinstopfen, mit dem Ergebnis, daß gedanklich, inhaltlich und formal ein völlig unübersichtliches Chaos daraus wurde. Und die Schlußpointe, daß Barbie endlich eine Menschenfrau wird, mit Genitalien (die ihr und Ken in der Puppenversion „abgegangen“ sind), kann wohl kaum als ein befriedigendes Resümee des Gezeigten erscheinen.
Es beginnt in „Barbieland“, der in Rosa gehaltenen Kunstwelt, wo alles pastellbunt und gräßlich „schön“ ist und alle unendlich lieb zu einander sind. Man könnte das durchaus als satirische politische Aussage werten – ist nicht unsere heutige „woke“ Welt bemüht, genau solche künstliche Harmonie-Zustände herzustellen, nein, zu fordern (allerdings mit den brutalsten Mitteln der Ausgrenzung aller, die bei den Blödsinn nicht mitmachen). Gut, das hat Greta Gerwig als Regisseurin hinbekommen, daß einem angesichts von so viel sonniger Verlogenheit der Ekel hoch kommt.
Aber das schwankende Drehbuch-Schiff hat noch sehr viel vor. Barbie muß gefordert und aus ihrer scheinbar idealen Welt herausgerissen werden. Das passiert, indem ihre Füße bei den konstitutionellen High Heels nicht mehr mitmachen und flach werden. Warum eine boshafte Barbie-Kollegin (nein, nicht alle sind schön und schlank) sie jetzt in die Welt der Menschen schickt, ist nicht völlig klar, aber irgendetwas muß passieren. Ken, der bisher im Hintergrund stand, schließt sich ihr an – und so verlassen die beiden im rosa Auto das rosa Barbieland und begeben sich zu den Echtmenschen.
 
Da passiert nun zweierlei: Erstens gerät Barbie an ihre Erzeuger. Was da eine absolut verblödete Horde männlicher CEOs anderes zu tun hat, als sich und die Geschäftswelt lächerlich zu machen, wird nicht klar. Barbie jedenfalls muß lernen, daß ihresgleichen heutzutage „out“ ist (das tut weh) und die Welt anders aussieht als in den Fünfziger Jahren.
Das geschieht mit Hilfe der im Konzern unglücklich arbeitenden Echtfrau Gloria und ihrer bockigen, unfreundlichen Teenager- Tochter Sascha (selbstverständlich ein problematisches Verhältnis, das sich am Ende in Liebe und Waschtrog auflöst). Sie sind nun dazu da, Barbie zu zeigen, wie schwierig das weibliche Leben ist (in einem durchaus brillanten Monolog, was Frauen im Zeitalter der politischen Korrektheit zu leisten haben und was sie gleichzeitig an menschlichen Reaktionen nicht mehr zeigen dürfen). Es wird sehr „politisch“ gepredigt, es wird viel theoretisiert rund um Barbies „Erwachen“ zu einer Echtfrau, so daß man sich fragt, wie Entertainment und Lehrstück da zusammen gehen sollen – wo doch eigentlich nur ein gedanklicher Kuddelmuddel bleibt.
 
Der zweite Handlungsstrang in der Welt der Menschen handelt davon, daß Ken die Männerwelt kennen lernt, und zwar die echten, üblen Machos. Was dem immer unsicheren, immer schüchternen Mann der Schöpfung gut gefällt. Daheim in Barbieland wirft er Barbie doch glatt aus ihrem Haus – das Recht des Stärkeren, soll sie sehen, wo sie bleibt.
Nun, das Drehbuch, das angeblich gegen Klischees kämpft, ist voll von diesen – Barbie, die als Puppe alles geschenkt bekam, lernt schnell, wie kluge Frauen dumme Männer aushebeln, und sei es nur mit einem süßen, falschen Lächeln.
Greta Gerwig zitiert gerne, nicht nur textlich, auch im Bild – gleich der Beginn ist Kubricks „Odyssee im Weltraum“ nachgestaltet, mitsamt dem berühmten „Also sprach Zarathustra“- Beginn von Richard Strauss, nur daß kein Knochen, sondern eine Puppe in die Luft fliegt. Es ist ganz witzig, wenn Menschen zwischendurch per Zeichentrick transportiert werden. Über weite Strecken artet der Film in ein Musical mit Gesang und viel Tanz aus, im Grunde sinnlos, aber an manche Vorbilder erinnernd. Noch etwas, das hier eingebracht wird, ohne daß sich der Sinn wirklich erschließt.
 
Barbie und Ken sind im Original wohl in ihren frühen Zwanzigern. Mit Margot Robbie und Ryan Gosling sind sie da schon um gut ein paar Jährchen (Jahrzehntchen) älter besetzt, aber sie passen zusammen, sie sind gute Schauspieler – lieb, wie die schöne Margot klar macht, daß in das leere Hirn von Barbie Gedanken einschießen, und amüsant, wie Gosling voll Selbstironie den ewigen Schwächling mimt. Aus der übrigen überreichen Besetzung (es gibt ja Barbies aller Arten, Formen, Farben, Berufe) ragt dennoch nur Will Ferrell als Mattel-Boß hervor – nicht, weil er der berühmteste, sondern weil er der komischste ist.
 
Was sie mit diesem Film eigentlich wollte, die Antwort bleibt die Regisseurin schuldig. Barbie wird zum Menschen – nein, so war es eigentlich nie gemeint. Und bringt auch für den heutigen Zeitgeist, um den es natürlich geht, nicht viel. Denn nicht einmal die wokesten Gutmenschen werden leugnen, daß Ideale (und seien sie noch so verlogen) und Wirklichkeit nie zufriedenstellend in Einklang gebracht werden können.
 
 
Renate Wagner